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Blütezeit der Hanse

Vielleicht geht es Ihnen nicht anders als vielen Besuchern unserer Stadt. Beim Lesen des Attributes „Hansestadt“ vor dem Ortsnamen wird erst einmal ausgiebig gestutzt. In der Tat – Gardelegen liegt nicht am Meer. Aber so geht es den allermeisten Hansestädten. Die sind in der Altmark mit Stendal, Salzwedel, Werben, Osterburg, Seehausen, Havelberg, Tangermünde und eben Gardelegen so dicht gedrängt wie nirgends sonst. Will sagen: Der legendäre Hansebund – eine historisch gewachsene Kaufmanns- und Städtegemeinschaft, die zwischen dem 13. und 16. Jahrhundert existierte – ist nicht auf das Meer und die christliche Seefahrt fixiert wie allgemein angenommen.

Eine Urkunde vom 6. Januar 1359 nennt Gardelegen zum ersten Mal in Verbindung mit der Hanse und ist der schlüssige Beweis, dass unsere Stadt seit 1358 dem Städtebund angehörte. Über den Anteil des für Hansezwecke günstig gelegenen Gardelegen am Handel ist nichts überliefert. Sicher wird es wie seine altmärkischen Schwesterstädte mit Getreide- und Leinwand, Böttcher- und Töpferwaren gehandelt haben. Auf jeden Fall aber mit dem hier angebauten Hopfen, dessen hohe Qualität auch in den norddeutschen Bierhochburgen geschätzt war. Das Bier, von dem oft behauptet wird, es habe Gardelegen die Türen zur Hanse geöffnet, kam erst Mitte des 15. Jahrhunderts hinzu. Doch als die „Garley“ zum Exportschlager geworden war, waren die hansischen Tage unserer Stadt bereits gezählt. Mehr noch: das Bier wurde zum „Sargnagel“ der Gardeleger Hanseherrlichkeit. Als sich nämlich im Frühjahr 1488 die Altmarkstädte weigerten, eine horrende Biersteuer zu entrichten, mit der der brandenburgische Kurfürst Johann Cicero die Löcher im Staatssäckel zu stopfen hoffte, kam es zu Aufständen, die blutig niedergeschlagen wurden. Zu den kurfürstlichen Friedensbedingungen gehörte der Befehl, sich aus allen Städtebündnissen zurückzuziehen. Gardelegen fügte sich – und seitdem hörte man für mehr als 500 Jahre in hansischen Belangen nichts mehr von ihm.

Die neue Hanse - „Zukunft aus Tradition“

Mehr als drei Jahrhunderte nach seinem Untergang erlebte der inzwischen sagenumwobene Bund eine Renaissance – 1980 wurde in Deventer, der alten holländischen Hansestadt, der Hansebund der Neuzeit mit 186 Städten aus 17 Ländern gegründet. In seiner Satzung heißt es: „Der Hansebund hat es sich zur Aufgabe gemacht, auf der Grundlage des grenzüberschreitenden Hansegedankens und der geschichtlichen Erfahrungen, die Gedanken und den Geist der europäischen Städte und Gemeinden wiederzubeleben, das Eigenbewusstsein der Hansestädte zu fördern und die Zusammenarbeit zwischen diesen Städten und Gemeinden zu entwickeln mit dem Ziel, einen Beitrag zur wirtschaftlichen, kulturellen, sozialen und staatlichen Einigung Europas zu leisten und in diesem Sinne das Selbstbewusstsein der Städte und Gemeinden zu stärken, damit sie ihre Aufgabe als Ort der lebendigen Demokratie wahrnehmen können.“ Grenzen sind gefallen – und seit 1995 ist auch wieder hansisches Leben in Gardelegen eingezogen. Mehr als einmal besuchten seither Vertreter der Stadt die jährlichen Hansetage der Neuzeit, auf denen alte Tradition mit oft knallharten Problemen der Kommunalpolitik zusammentreffen.

Im Jahre 1998 wurde der Altmärkische Hansebund wiederbegründet. Genau wie in seiner „Erstauflage“ von 1353 gehören Salzwedel, Stendal, Havelberg, Seehausen, Tangermünde, Osterburg, Werben und eben Gardelegen dazu. Anders als damals haben sich die Städte nicht zum gegenseitigen Beistand zusammengeschlossen, sondern um nach innen und nach außen echte hansische Traditionen zu pflegen. Seine Mitglieder treten geschlossen als „Hansestädte der Altmark“ auf und repräsentieren damit wie eh und je eine Region, in der Hansestädte so dicht gedrängt sind wie nirgends sonst. Aber das hatten wir ja schon…


Übrigens: Die Bürgertugenden der Hansezeit liegen bei den Einwohnern Gardelegens in guten Händen. Aber das muss man schon selbst erleben – vielleicht bei einem der seit 1995 alljährlich stattfindenden Hansefeste, die inzwischen aus dem Veranstaltungsplan der Stadt nicht mehr wegzudenken sind.

Unsere Buchempfehlungen

Matthias Puhle: Hanse – 16 Städtebilder aus Sachsen-Anhalt

ISBN: 978-3-8992-3177-9

Rupert Kaiser: Gardelegen, die Altmark und die Hanse

Donald Lyko und Frank Mühlenberg: Türme, Tore, stolze Bürger – der Altmärkische Hansebund

ISBN: 978-3-0002-4392-9