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Anekdotisches um Otto Reutter

Das Pferd im "Deutschen Kaiser"

Wenn Otto Reutter zu Besuch nach Gardelegen kam, sorgte er schon für ausgelassene Stimmung, das war er seinem Rufe einfach schuldig. Jeder Jux war erlaubt, jeder Spaß und jede übermütige Tollerei erfüllten Otto mit größtem Vergnügen. So kam es denn auch im Verlaufe eines mehr als stimmungsvoll verlaufenden Abends zu der Wette, dass Otto sich wohl manches trauen würde und manches könne, aber ein richtiges Pferd reiten könne er wohl doch nicht.  Das nun empfand Otto Reutter als eine freche Herausforderung, der er denn auch gleich mit einem tollkühnen Ritte in den "Deutschen Kaiser", einen großen Gasthaus vor dem Salzwedeler Tore, begegnete. Die Wette war gewonnen, auch wenn Otto auf dem edlen Rosse saß wie der "Affe auf dem Schleifstein..."

Ich seh wenigstens keinem ähnlich ...

Hunderte von Komikern versuchten, Otto Reutters Bühnenkunst zu kopieren, um seine sensationellen Erfolgs auch teilhaft zu werden. Dutzende hatten sogar einigen Erfolg damit, doch keiner war wie er. Einmal soll ihn ein Komiker im Berliner "Wintergarten"-Theater daraufhin angesprochen haben: "Wie kommt es nur, Herr Reutter, dass ich trotz aller Anstrengungen nicht in die Höhe komme. Und dabei bin ich Ihnen doch so ähnlich!" Reutter maß den Mann von Kopf bis Fuß und brummelte dann genüßlich: "Ja, sehen Sie, ich bin in die Höhe gekommen, weil ich niemandem ähnlich bin."

Das Fräulein und ihr totes Pferd

Nachdem sich Reutter 1915 durch Pacht des "Palast-Theaters am Zoo" in Berlin zum Theaterdirektor gemacht hatte, präsidierte er Abend für Abend am Künstlerstammtisch in den "Wilhelmshallen". Zu dieser feucht-fröhlichen Runde fand sich eines Abends auch einmal eine Künstlerin ein, deren Garderobiere Reutter mit einer ihn verblüffenden Hartnäckigkeit ins Gespräch ziehen wollte. Schließlich fragte sie den Direktor Reutter, ob er sie denn wirklich gar nicht mehr erkenne? Man sei doch vor zwanzig Jahren einmal gemeinsam engagiert gewesen! Sie sei die Mademoiselle X., die berühmte Kunstreiterin! Reutter schaute daraufhin prüfend die ältliche Mademoiselle an und sagte dann langsam: "Ja, jetzt erinnere ich mich. Aber sagen Sie: Das Pferd ist doch wohl schon tot?"

Reutter, der Rollmops

Nach der Vorstellung saß man eins noch im Künstlerkeller gemütlich beisammen. Es ging auf die Polizeistunde u, und jeder bestellte sich noch einen kleinen Imbiss vor dem Zubettgehen. Allen wurde serviert, nur Otto Reutter blieb vor dem leeren Tisch und einem leeren Glas Bier sitzen. "Wo bleibt denn mein Rollmops?", fragte er den müde dastehenden Kellner ungemütlich. Der Kellner sah den quengelnden Gast an, Otto rollte wütend mit den Augen, da trollte sich der Kellner endlich und holte einen Teller mit einem Rollmobs herbei, den er wie achtlos auf einem Nebentisch abgestellt hatte. Dann lächelte der Kellner niederträchtig: "Ach, der Rollmobs sind Sie?" - und servierte unter dem Gelächter aller Gäste.

Wenn man sich belästigt fühlt

Mit zunehmendem Alter konnte Otto Reutter höchst unangenehm werden, wenn ihn irgendwelche Unbekannten im Restaurant ansprachen, denn er pflegte beim Warten auf das Essen sein Repertoire zu repetieren und konnte dabei natürlich keine Abwechslung gebrauchen. Da trat einmal ein schüchterner Verehrer, ein blasser Jüngling, an seinen Tisch und stammelte aufgeregt: "Entschuldigen Sie, dass ich Sie belästige..." Reutter blickte auf, schaute den Störenfried betont würdig an und plärrte los: "Sie wählten schon das richtige Wort!" - Der Jüngling verzog sich schleunigst, blaß vor Angst, und Reutter schmunzelte vor sich hin.

Wenn ich nach Hause gehen will

Reutters unbekannte Verehrer zeigten gelegentlich seltsames Gebaren, wenn sie des Objekts ihrer Verehrung unvermittelt ansichtig wurden. Reutter saß einmal in einem gutbürgerlichen Restaurant und wartete auf sein Essen. Plötzlich musste er erleben wie ein Unbekannter sich hurtig auf den freien Stuhl an seinem Tische setzte und seinen vollen Bass durch das Lokal dröhnen ließ: "Welch ein Glück für mich! Ich hatte noch nie die Ehre, mit Ihnen an einem Tisch zu sitzen!" Reutter guckte den man seelenruhig an und stand dann betont gemütlich auf. "Dazu kommen Sie auch heute nicht, denn ich gehe gerade nach Hause."

Wenn Wiedersehen gefeiert wird

Ende März 1923 feierten die einstiegen Schüler der katholischen Volksschule zu Gardelegen eine besonders stimmungsvolle Wiedersehensfeier. Der Frühschoppen war bereits in vollem Gange, da näherte sich dem einsam und sinnend an seinem Tische sitzenden Reutter ein "Ehemaliger", schon in recht angeheiterter Stimmung, und polterte los: "Na, Otto, nu schieß man mal los!" Reutter sah ihn an und bemerkte trocken: "Mein Herr, ich entsinne mich nicht, Sie je in nüchternem Zustand kennengelernt zu haben." Der Betreffende soll sich in jenem Augenblick durch einen selten dämlichen Gesichtsausdruck ausgezeichnet haben.

Sag´s mit einem Trinklied

Otto Reutter kehrte einst gern in der Restauration des "Hotel Stadt Hamburg" am Gardelegener Rathausplatz ein. Eines Abends saß er dort allein an seinem Tische. Da näherte sich eine Schar froh Bezechter dem still vor seinem Glase Bier sitzenden Bühnenstar. Einer von ihnen, der Lehrer Becher, forderte Reutter auf, doch nun mal ein bisschen was gucken zu lassen von seiner weitgerühmten Kunst. Reutter stand still und feierlich auf, nahm von einem an der Wand hängenden Binde einen vergilbten und verstaubten Lorbeerkranz, legte diesen dem ebenso sprachlos staunenden wie leicht schwankenden Lehrer Becher um den Hals und begann, ein bekanntes Trinklied zu singen: "Bekränzt mit Laub den lieben vollen Becher..." - Weiter kam er nicht, der Rest ging im endlosen Gejohle der Kneipengeschellschaft unter.

Reutter und Valentin

Der bayerische Schelm Karl Valentin traf, zu einer Kur überredet, einmal in Bad Kissingen ein. Den Koffer in der Hand, machte er sich zu Fuß auf den Weg vom Bahnhof zum Kurhotel. Plötzlich sah er wenige Schritte vor sich eine bekannte Gestalt: Otto Reutter. Dieser ging gedankenverloren, offenbar sein abendliches Repertoire leise vor sich hinmurmelnd, mit steif herunterhängenden Armen die Bahnhofstraße entlang, die Finger gekrümmt, als trüge er einen unsichtbaren Koffer. Nichts war Valentin lieber. Er schlich sich von hinten heran, hängte Reutter vorsichtig seinen - allerdings nicht nur sichtbaren, sondern auch reichlich schweren Koffer in die gekrümmten Finger der rechten Hand und stellte sich schon auf eine durchschlagende Wirkung seines Spaßes ein. "Reutter hat mich doch damals tatsächlich besiegt. Stellen Sie sich vor: Der Mann ist ganz ruhig, ohne sich umzuschauen, weitergegangen - mit meinem Koffer in der Hand. Da kannst halt nix machen!" - Nie hat Reutter verlauten lassen, ob er damals in Bad kissingen durch konzentrierte Kopfarbeit so geistesabwesend war, dass er Valentins Koffer gar nicht bemerkte - oder ob er Valentin schon längst vorher entdeckt und sich mit äußerer Gelassenheit und altmärkischer Seelenruhe auf alle möglichen und unmöglichen Späße des Bajuwaren eingestellt hatte.

Der Frack und der Mann

Der bayerische Schelm Karl Valentin traf, zu einer Kur überredet, einmal in Bad Kissingen ein. Den Koffer in der Hand, machte er sich zu Fuß auf den Weg vom Bahnhof zum Kurhotel. Plötzlich sah er wenige Schritte vor sich eine bekannte Gestalt: Otto Reutter. Dieser ging gedankenverloren, offenbar sein abendliches Repertoire leise vor sich hinmurmelnd, mit steif herunterhängenden Armen die Bahnhofstraße entlang, die Finger gekrümmt, als trüge er einen unsichtbaren Koffer. Nichts war Valentin lieber. Er schlich sich von hinten heran, hängte Reutter vorsichtig seinen - allerdings nicht nur sichtbaren, sondern auch reichlich schweren Koffer in die gekrümmten Finger der rechten Hand und stellte sich schon auf eine durchschlagende Wirkung seines Spaßes ein. "Reutter hat mich doch damals tatsächlich besiegt. Stellen Sie sich vor: Der Mann ist ganz ruhig, ohne sich umzuschauen, weitergegangen - mit meinem Koffer in der Hand. Da kannst halt nix machen!" - Nie hat Reutter verlauten lassen, ob er damals in Bad Kissingen durch konzentrierte Kopfarbeit so geistesabwesend war, dass er Valentins Koffer gar nicht bemerkte - oder ob er Valentin schon längst vorher entdeckt und sich mit äußerer Gelassenheit und altmärkischer Seelenruhe auf alle möglichen und unmöglichen Späße des Bajuwaren eingestellt hatte.